Kollektive Arbeiten

fritzpunkt - Wiener Probenfotos

Wiener Probenfoto, 08. 10. 2008, 15.06 Uhr

Selbstverständigungsversuch in den 3305 Seiten von
Dessen Sprache du nicht verstehst
09. 10. 2008, 09.36 Uhr

Dessen Sprache du nicht verstehst
11 Tage und Nächte Dieseda und Diesedort
steirischer herbst 2008

15. Oktober, 12 Uhr – 26. Oktober, 12 Uhr
rund um die Uhr

Der Fritzpunkt begibt sich im Rahmen des steirischen herbst 2008 ab 15. Oktober in eine zeitliche wie räumliche Überdehnung. Wir wandern einerseits 11 Tage und Nächte lesend durch Graz, lassen uns andererseits genau so lange beim Leben und Arbeiten im Medienkunstlabor im Grazer Kunsthaus zusehen. Und sind selbst (in verwandelter Form) weltweit als Video- und Audio-Livestream zugänglich. Oder auf Ihrem Video-Handy, so sie ein solches bereits besitzen. Das nennt der Fritzpunkt dann eine Ausgrenzungsstrategie. Wir freuen uns in jedem Fall, wenn sie mit uns zu einer Reise durch den Riesenroman Dessen Sprache du nicht verstehst von Marianne Fritz aufbrechen.

Das Ganze kann auch so formuliert werden:

Das Wiener Theaterkollektiv Fritzpunkt macht den Roman Dessen Sprache du nicht verstehst der steirischen Autorin Marianne Fritz als ununterbrochenen Sprachfluß hörbar und überläßt es dem Publikum, den 3305 Seiten langen Text für sich zu portionieren. Elf Tage und Nächte lang bewohnen die sieben Akteurinnen und Akteure das jederzeit einsehbare Medienkunstlabor im Kunsthaus Graz. Nur jeweils eine/r der Performerinnen und Performer verläßt das Labor, um unterwegs im Stadtraum von Graz den 264 Stunden währenden Textstrom aufrechtzuerhalten. Die Stimmen der Lesenden werden, verflochten mit Umgebungsgeräuschen, Gesprächsfetzen, Musikresten, Stadtlärm etc. in den Publikumsraum im Medienkunstlabor übertragen. Dort vermischt sich das Gehörte mit dem zu Sehenden: In ihrem gemeinsamen Lebensraum liefern die Akteurinnen und Akteure ihre Alltagsverrichtungen der Erinnerung an den bereits gelesenen Text aus. Wer die Übersicht behalten will, hat sowieso verloren: „Dieseda“ (das Publikum) sehen, was sie nicht hören („Diesedort“: die Akteure hinter Glas), und hören, was sie nicht sehen (den beweglichen Lesenden im Stadtraum).

Nur für jene, die das noch nicht wissen:

Fritzpunkt arbeitet seit über sechs Jahren mit dem literarischen Festungsprojekt der Autorin Marianne Fritz, einem der radikalsten, komplexesten und umfangreichsten Schreibvorhaben der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Seit dem Tod der steirischen Autorin im vergangenen Oktober hat das Theaterkollektiv im Rahmen der Versuchsanordnung Die Festung Teil 1 – 6 die ersten drei Romane von Marianne Fritz für das Theater nutzbar gemacht: Die Schwerkraft der Verhältnisse als öffentliche Meinungspflege mit der Vergabe des Schwerkraft-Preises 2008, Das Kind der Gewalt oder die Sterne der Romani als bäuerliche Klausur am Land und jetzt Dessen Sprache du nicht verstehst als Projekt des steirischen herbst 2008.

Mit Franka Beck, Fred Büchel, Susanne Hahnl, Eva Linder, Juliane Meckert, Anne Mertin und Arne Vogelgesang

 

Fritzpunkt - Fotos 1

1.  13.10., 13:10 Uhr – Aufbau der Büchertrennwand zwischen Publikums- und Lebensraum mit Sichtfenstern und Ausgangstür
2.  13.10., 14:46 Uhr – Aufbau des später vom Falter „Messie-Terrarium“ genannten Lebensraum der Akteure

3.  14.10., 15:25 Uhr – Aufbaupause 

 

Fritzpunkt - Fotos 2

4.  16.10., 02:11 Uhr – Nächtlicher Blick durch den Zuschauerraum in den Lebensraum der Akteurinnen und Akteure
5.  18.10., 14:23 Uhr – Blick zurück
6.  20.10., 15:00 Uhr – Tagesschlaf

 

Fritzpunkt - Fotos 3

7.  20.10., 18:30 Uhr – Eingang in den Zuschauerraum
8.  20.10., 18:42 Uhr – die ungelöste Besserstellungsfrage…
9.  21.10., 19:50 Uhr – Schnittstelle zwischen nacktem Zuschauerraum und vollgeräumtem Akteursrau

 

 

Fritzpunkt - Fotos 4

10.  22.10., 03:25 Uhr – Rückkehr aus der Grazer Lesenacht
11.  22.10., 11:29 Uhr – Reparaturarbeiten
12.  23.10., 18:56 Uhr – Fullhouse

Protokollnotizen von heute:
Einrichten und Auflösen von Zeitsystemen / Wenden und Schütteln von Kleidungsstücken
Vorpreschen für die Zuteilung von Lieblingslesegruppen /Knappes Kochen ohne Rauch
Zeitversetzte Mahlzeiten /Zerlegter Schlaf /Nachtschicht und Tagschicht: Fritz-Fabrik / Textlager
Text nachlauschen im Kopfhörer /den überlauten Stimmen der Straße in der Nacht ausweichen /die Lautstärke, wenn Menschen nachts im Zuschauerraum sind /die schwitzigen Kleider am Leib
Graz voller Plakatständer und Fahnen: Stadt der Erhebung dagegen: die Susanne Winter-Aktion des steirischen herbst / die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den verschiedenen Arbeitsgruppen
(nie sind alle da oder wach) das Bücherregal, das als Modell für das nächste Projekt mit nach Wien geht und die Fahrräder, die die Fenster des Medienkunstlabor zustellen „Ich bin eine Befindlichkeit! Ich mach mir mein eigenes Gesetzchen!“ „Es ist grad schön, die Stadtgeräusche.“ Weiber, viele Weiber (Text) der Plan macht noch keine Handlung /die einzige Handlung: Lesen, allein; insofern gibt es keine Gruppenfunktion /eine Theatermaßnahme als (erzwungene) Verweigerung von theatralischer Handlung? Wo ist der Rest Theater? 

 

Fritzpunkt - Fotos 5

13. 24.10., 06:17 Uhr – Hörschlafstelle (Herzlichen Gruß nach Graz)
14.  25.10., 03:38 Uhr – Lesung der letzten Seite des Romans Dessen Sprache du nicht verstehst mit Nummer 3005 direkt vor dem Medienkunstlabor
15.  25.10., 17:59 Uhr – Die gesamte Inneneinrichtung des Akteursraums wird zusammenstellt resp. aufgehäuft. Im Bild der Kleiderhaufen als Leseliege

Zitat von www.steirischerherbst.at/fritzpunkt:

Heute, Samstag, ist in den frühen Morgenstunden der Roman „Dessen Sprache du nicht verstehst“ von Marianne Fritz zu Ende gelesen worden. Der Fritzpunkt hebt ab sofort seine Ausgrenzungsstrategie auf und öffnet seinen Lebensraum im Medienkunstlabor bis zum Festivalende für die Lesung eines strukturell entscheidenden Romanteils dem Grazer Publikum.