„Naš kraj – Unser Land“
„Unser schönes Stück Erde, Eine Stück Erde sich eigen nennen, Ein Stück Heimat“
Eine partizipative Stückentwicklung über das sorbisch-deutsche Verhältnis
Premiere am 3. 11.2023 in Kittlitz und am 25.11.2023 in Cottbus.
„Unser Land“ ist eine Stückentwicklung über das sorbisch-deutsche Verhältnis, welche die Regisseurin Juliane Meckert mit dem Musiker Hans Narva zusammen mit Bürger*innen aus der Ober- und Niederlausitz auf der Basis eigener Erfahrungen und eigener Texte erarbeitet hat. Für die Aufführungen laden die Darsteller*innen und ein Chor das Publikum ein, in der Trinitatiskirche zu Kittlitz und der Zinzendorfkirche in Cottbus einem performativen Gastmahl beizuwohnen. Denn ein Tisch ist bekanntlich einer der besten Orte, um miteinander ins Gespräch zu kommen.
Darsteller:innen: Jürgen Schlegel, Birgit Höfer, Mathias Hüsni, Yvonne Fritzsche, Carolin Giller, Jasmine Höfer, Renate Ulbricht, Regina Sonnabend Regie, Stück und Text -Entwicklung: Juliane Meckert Musikalische Leitung, Veranstalter: Hans Narva Kostüm , Bühnenbild, Licht: Philine Stich Wir bedanken uns bei Hilžbjeta Pöpelec, Maria Pötschke, Silvia Jakubowski, Willi Barthold, Max Wresinski, Sophia Ziesch, Thorsten Mack, Daniel Häfner, Franziska Benack, Susanne Schöne, Madlenka Scholze
Zum Stück
Die Vorstellungen finden im Sinne des ortsspezifischen Theaters in Kirchen statt. Kirche und Religion sind im Sorbischen, ein zentraler Punkt für Gemeinschaft, Selbstverständlichkeit, Tracht und Tradition. Andererseits ist die Kirche in der Beziehung zwischen Sorben und Deutschen hochgradig ambivalent. Im Mittelalter kamen die großflächigen sorbischen Gebiete unter deutsche Herrschaft und die Sorben/Wenden wurden christianisiert und assimiliert. Die Kirche brachte der sorbischen Sprache das Schriftbild , gleichzeitig brachte die Kirche aber auch später durch Lehrer und Geistliche das Schrift und Sprachverbot. Das Stück greift diese Ambivalenz auf und spielt in verschiedenen Kirchen im Lausitzer Land (Sachsen und Brandenburg).
Der Chor begrüßt das Publikum vor der Kirche, vor einem Berg Erde und trägt dann begleitet von einem Sprechchor mit dem Publikum „Unsere Erde“ in kleinen Gläsern in den Altarraum. Im Altarraum steht eine lange Tafel, mit einem weissem Tischtuch, an dem ein Gastmahl zelebriert wird, zu dem das Publikum geladen ist und bei welchem diskutiert, gesungen, gegessen, getrunken und historische Fakten nacherlebt werden. Die Gläser mit Erde werden mit dem Singen eines sorbischen Liedes aufgestellt und begrenzen die Spielfläche. Dokumentarische sowie biographische Erzählungen der Bürger:innen sowie Historische Fakten,verweben sich zu einer Untersuchung der sorbisch deutschen Beziehungen durch verschiedene Zeiten. Ein Sprach und Gesangs -Chor der die vielen deutsch, nieder und obersorbischen Stimmen und Positionen in sich trägt, rahmt die gemeinsame Erzählung und fragt nach Utopien und einer gemeinsamen Zukunft. Der Chor aus dem die einzelnen Darsteller:innen heraustreten und wieder in ihm aufgehen, reicht zum Ende der Vorstellung jedem Zuschauer ein Glas Erde, löst die Begrenzung des bespielten Raumes auf und gibt den Gedanken von „Unserer Erde„ an das Publikum weiter.
Thema
Ungefähr 60.000 Sorb:innen leben in Deutschland. Sie sprechen Sorbisch und Deutsch, haben einen sorbischen und einen deutschen Namen. Sie sind eine westslawische Ethnie, die vorwiegend in der Lausitz im östlichen Deutschland lebt. Zu ihr gehören die Obersorben in der sächsischen Oberlausitz und die Niedersorben/Wenden in der Niederlausitz in Brandenburg, die sich sprachlich und kulturell unterscheiden. Viele Menschen in Deutschland wissen nicht, dass es die Sorben gibt. Die sorbische Geschichte ist nicht Teil des deutschen Geschichtsunterrichts, kulturellethnische Vielfalt in Deutschland jenseits von Migration ist kein Thema in der Schule und in der öffentlichen Kommunikation. Von einer etablierten historischen Minderheitenforschung kann man in Deutschland noch nicht sprechen, es ist jedoch Zeit, gemeinsam die deutsch-sorbischen Verhältnisse zu untersuchen. Diese Verhältnisse stehen heute unter verschiedenen Spannungen, einerseits die permanenten rassistischen Anfeindungen (das Überschreiben sorbischer Ortsnamen, gewaltvolle Angriffe auf sorbische Festivitäten etc.) und andererseits dem gemeinsamen Bemühen um den Erhalt der sorbischen Kulturen und Sprachen. Es gibt eine gemeinsame Geschichte, diese wird täglich weitergeschrieben und weitererzählt, ein großer Teil der deutschen Bevölkerung weiß darum jedoch nicht. Das ist der Hintergrund eines Begegnungsraums, in dem Mittel und Methoden des Theaters die Möglichkeit eröffneten, sich spielerisch zu begegnen, Fragen zu stellen, aufzuklären und gemeinsam neue Wege zu finden und zu gehen. Diese Stückentwicklung setzt mit den Mitteln des Theaters persönliche Erfahrungen und politische Sachverhalte in Bezug und möchte sie erfahrbar machen, gleichzeitig einen Raum erschaffen, der zum Ausprobieren, Hineinfühlen, Diskutieren und Neudenken anregt. Ein Raum, der beispielhaft für eine gelebte Demokratie als auch Vielfalt in Brandenburg und Sachsen ist.
Stückentwicklung als langfristiger, offener und nachhaltiger Prozess
Den Auftakt dieses Arbeitsprozesses bildeten zwei Symposien:
Am 15.8.2021 fand das erste Wodychnjenje – stawizny nastanu! Eine Atempause – Geschichte wird gemacht – Ein futurologisches Symposium von Sorben und Deutschen in Kamenz statt, veranstaltet vom Festival „Kommen und Gehen“.